Wisent-Gutachten vorgestellt
Modell- und Vorbildcharakter des Projektes bestätigt
Das Artenschutzprojekt „Wisente am Rothaarsteig“ ist sowohl für den Erhalt dieser vom Aussterben bedrohten Tierart, als auch wegen seines besonderen Modell- und Vorbildcharakters von besonderer Bedeutung. Es sollte deswegen fortgeführt werden, wenn die dafür notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden können.
Das Artenschutzprojekt „Wisente am Rothaarsteig“ ist sowohl für den Erhalt dieser vom Aussterben bedrohten Tierart, als auch wegen seines besonderen Modell- und Vorbildcharakters von besonderer Bedeutung. Es sollte deswegen fortgeführt werden, wenn die dafür notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden können. Das lässt sich aus dem Gutachten ableiten, das von dem Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover erarbeitet und jetzt im Rahmen einer Pressekonferenz in Bad Berleburg der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Das 176-seitige Gutachten enthält eine umfassende Analyse des bisherigen Projektverlaufs. Auf dieser Grundlage stellt das Gutachten zudem unterschiedliche Zukunftsperspektiven für das Projekt dar, das seit dem Jahr 2010 vom Verein Wisent-Welt-Wittgenstein e.V. durchgeführt wird. Nach einem ersten Projektabschnitt in einem dazu eingerichteten Gehege im Gebiet der Stadt Bad Berleburg läuft seit dem Jahr 2013 die sogenannte Freisetzungsphase mit aktuell 25 Tieren im Projektgebiet. Als Grundlage dafür wurde ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen dem Trägerverein, dem Kreis Siegen-Wittgenstein, der Bezirksregierung Arnsberg, dem Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen und der Wittgenstein-Berleburg´schen Rentkammer geschlossen. Dieser sieht vor, dass über die Zukunft des Artenschutzprojektes auf Basis einer Auswertung der Erkenntnisse der Freisetzungsphase entschieden wird. Hierzu liefert dasnun vorgestellte Gutachten wichtige Informationen.
Die Ergebnisse sollen in den nächsten Monaten intensiv diskutiert werden. Im weiteren Verfahren ist vorgesehen, das Gutachten der für das Projekt eingerichteten Koordinierungsgruppe vorzustellen und die Gespräche mit potentiellen Projektsteuerern fortzuführen. Eine abschließende Entscheidung über die Zukunft des Projektes soll so schnell wie möglich getroffen werden.
Der Vorschlag eines dauerhaften Großgatters soll dabei nicht weiterverfolgt werden, da hierfür die Akzeptanz fehle. Auch ein Erlegen der Tiere soll nicht erfolgen. Gegen die sogenannte „letale Entnahme“ sprachen sich laut Gutachten auch sämtliche befragten internationalen Wisentexperten aus.
Gutachten fällt insgesamt positiv aus
Die Bewertung des Gesamtprojektes durch die Gutachter fällt insgesamt positiv aus. Ihrer Einschätzung nach besitzt das Projekt für die Erhaltung der Wisent-Population aus weltweit nur noch rund 8.500 Tiere eine besondere Bedeutung. Jedes Tier und damit jeder Beitrag zur Erhalt der Art sei wichtig und auch jede kleine Population könne im Hinblick auf die Genetik oder die Gefahr von Seuchen einer gewünschten Risikostreuung dienen. Die Wisente spielen zudem eine große ökologische Rolle und erbringen wichtige Ökosystemleistungen. Das Projekt im Rothaargebirge könne für Experimente zur Bewirtschaftung von Waldökosystemen in Deutschland bzw. Mitteleuropa mit großen Wildtieren dienen. Deswegen habe das Projekt auch großen Modell- und Vorbildcharakter.
Die Gutachter zeigen aber auch auf, wo im Falle einer Fortführung des Projektes nachgebessert werden müsste. Sie halten für die Projektsteuerung eine Hinzuziehung weiterer, größerer Partner zum Trägerverein für dringend geboten, halten eine intensivere wissenschaftliche Begleitung – z.B. durch einen international besetzten Expertenbeirat – für erforderlich und fordern insbesondere eine enge Zusammenarbeit mit anderen Wisent-Projekten, die auch einen Austausch von Tieren beinhalten sollte, ein.
Dabei wird von dem Gutachterteam ITAW, für das Dr. Oliver Keuling in der Pressekonferenz die Kernaussagen des Gutachtens vorstellte, durchaus die Problematik der forstwirtschaftlichen Schäden gesehen. Es müsse geklärt werden, wie den Waldbauern im Hochsauerland entgegengekommen werden kann, deren Standpunkt durch Landrat Schneider und Bürgermeister König nochmals deutlich gemacht wurde.
Gutachter: In solch Artenschutzprojekten versierten Projektpartner hinzunehmen
Die Gutachter regen einfache und auskömmliche Regelungen zum Ausgleich der Schäden an, sehen aber auch die Notwendigkeit, mit den betroffenen Grundstückseigentümern – wie mit der Öffentlichkeit insgesamt – in einen intensiven Dialog zu treten. Ebenso müssten sensible Waldbestände, z.B. durch virtuelle Zäune oder sonstige geeignete Vergrämungsmaßnahmen, zu „no-go-areas“ entwickelt werden.
In diesem Zusammenhang sind auch die laufenden gerichtlichen Verfahren zwischen Trägerverein und Waldbesitzern zu beachten. Im Projektverlauf war festzustellen, dass die Streifgebiete der Wisente teilweise weit über das eigentlich vorgesehene Projektgebiet hinausreichten. Dies führte zu Konflikten mit Waldbesitzern, deren Forstbestände von den Wisenten durch das Abschälen von Baumrinde, vornehmlich in Buchenbeständen, geschädigt wurden. Die entstandenen Schäden im Privatwald wurden finanziell ausgeglichen.
Die Gutachter empfehlen darüber hinaus einen starken, in solchen Artenschutzprojekten versierten, Projektpartner zu finden und eine auskömmliche Finanzierung zu gewährleisten, die mit mindestens 500.000 Euro pro Jahr anzusetzen sei. Zudem setzten sie sich auch mit vielen anderen Aspekten des Projektes, wie etwa festzustellenden sozioökonomischen Effekten, Fragen der Landeskultur oder der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit auseinander.
Damit enthält das Gutachten wichtige Hinweise für die anstehenden Entscheidungen und die zukünftigen Anforderungen bei einer Fortführung des Projektes. Neben den Landräten Andreas Müller, Kreis Siegen-Wittgenstein, und Dr. Karl Schneider, Hochsauerlandkreis, und den Bürgermeistern Bernd Fuhrmann, Stadt Bad Berleburg, und Burkhard König, Stadt Schmallenberg, nahm auch NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser an der Vorstellung des Gutachtens teil.
NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser: Konstruktiven Austausch fortsetzen
Ministerin Heinen-Esser bedankte sich für die intensive Analyse der Gutachter und die gemeinsame Erörterung. Wichtig sei nun, auf dieser Basis den konstruktiven Austausch fortzusetzen und gemeinsam an einer einvernehmlichen Lösung in der Region zu arbeiten. Hierzu stehe die Ministerin gerne weiterhin unterstützend zur Seite.
Für die Südseite des Rothaarkamms in Siegen-Wittgenstein und in Bad Berleburg wurden von Landrat Müller und Bürgermeister Fuhrmann die positiven Perspektiven und Effekte des Projektes in den Vordergrund gestellt. Diese würden für eine Fortführung des Artenschutzprojektes sprechen. Für den Vorstand des Trägervereins Wisent-Welt-Wittgenstein e.V. unterstrich Johannes Röhl dessen Bereitschaft, im Hinblick auf die zukünftige Projektsteuerung einen starken Partner an die Seite zu nehmen.