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Datum: 25.11.2022

„Innovation und Stabilität“
Kreishaushalt 2023: 70 % Sozialausgaben und Rekordinvestitionen

Rund 542 Millionen Euro wird der Kreis Siegen-Wittgenstein im kommenden Jahr ausgeben. Der Haushaltsentwurf zeichnet sich vor allem durch Rekordinvestitionen in Höhe von fast 90 Millionen Euro aus. Größter Ausgabenblock sind aber die Sozialausgaben.

Rund 542 Millionen Euro wird der Kreis Siegen-Wittgenstein im kommenden Jahr ausgeben – das sieht der Entwurf des Kreishaushaltes vor, den Landrat Andreas Müller und Kämmerer Thomas Damm jetzt vorgestellt haben. Diesen Aufwendungen stehen Erträge in Höhe von ca. 530 Mio. Euro entgegen. Der Fehlbedarf von annähernd 12 Mio. Euro soll durch die Inanspruchnahme der so genannten „Ausgleichsrücklage“ gedeckt werden – was aber nichts anderes als ein technischer Begriff für „neue Schulden aufnehmen“ ist.

Investitionen in Höhe von 90 Mio. Euro geplant

Der Haushaltsentwurf für 2023 zeichnet sich vor allem durch Rekordinvestitionen in Höhe von fast 90 Millionen Euro aus, machte Landrat Andreas Müller deutlich. Davon sind 52 Mio. für den Breitbandausbau vorgesehen.

Größter Ausgabenblock sind aber auch im kommenden Jahr wieder die Sozialausgaben. Sie steigen voraussichtlich um 8,3 Prozent – sprich 28,3 Mio. Euro – auf insgesamt 369,2 Mio. Euro an. In diesem Zusammenhang unterstrich Kämmerer Thomas Damm einmal mehr die Forderung der kommunalen Familie nach einer besseren Finanzausstattung der Städte, Gemeinden und Kreise durch Bund und Land, weil in NRW die kommunale Familie die Hauptlast der sozialen Absicherung trägt.

Der Hebesatz der allgemeinen Kreisumlage soll im kommenden Jahr, so der Vorschlag der Kreisverwaltung, um 0,5 Prozentpunkte auf 35,3 Prozent steigen. Das ergäbe für den Kreis Mehreinnahmen in Höhe von 6,5 Mio. Euro. Allerdings muss der Kreis im kommenden Jahr selbst rund 6,8 Mio. Euro mehr an den Landschaftsverband Westfalen-Lippe abführen. „Der Mehrertrag durch die vorgeschlagene Erhöhung der Kreisumlage reicht also noch nicht einmal, um die Erhöhung der Landschaftsumlage gegenzufinanzieren. Mit diesem Finanzverhalten zeigen wir uns auch in diesem schwierigen finanziellen Umfeld einmal mehr äußerst solidarisch mit den Städten und Gemeinden“, betont der Landrat.

Zusätzliche Betreuungsplätze für 188 Kinder

Im Bereich des Jugendamtes geht der Kreis im kommenden Jahr von Mehrausgaben in Höhe von 4,6 Mio. Euro aus, u.a. weil für zusätzlich rund 188 Kinder Betreuungsangebote vorgehalten werden müssen und es einen höheren Bedarf im Bereich „Hilfen zur Erziehung“ gibt. Dazu zählt auch die Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten. Deshalb schlägt der Kreis vor, den Hebesatz der differenzierten Kreisumlage von 24,94 Prozent auf 27,1 Prozent anzuheben. Diese Ausgaben werden aber ohnehin auf Basis der tatsächlich entstandenen Kosten später mit den Kommunen spitz abgerechnet.

Landrat: Krise gemanagt ohne Standards abzusenken, Öffnungszeiten zu verringern oder Wartezeiten zu verlängern

Für den Landrat gehen von dem vorgelegten Haushaltsentwurf vor allem zwei Signale aus: „Stabilität und Innovation“.

Müller machte deutlich, dass die Haushalte der vergangenen Jahre immer sehr schnell von sich überschlagenden Ereignissen überholt worden sind: 2019 hatte niemand Corona vorgesehen, 2021 niemand den Ukraine-Krieg. Weder Kontaktnachverfolgung noch Impfzentrum, keine Flüchtlingsregistrierung, -unterbringung oder -integration waren in den Haushalten der letzten Jahre vorgesehen, auch keine 10-Prozent-Inflation oder Energieknappheit.

Trotzdem haben wir die Krisen gemanagt, ohne die Kreisverwaltung während der Pandemie zu schließen, Standards abzusenken, Öffnungszeiten zu verringern oder Wartezeiten zu verlängern“, bekräftigte der Landrat: „Bei uns bekommen alle Eltern, die das wünschen, nach wie vor ein Betreuungsangebot für ihr Kind. Und bei uns kann man wie eh und je spontan ein Auto anmelden, ohne Wochen vorher einen Termin vereinbaren zu müssen“, betonte der Landrat beispielhaft: „Beides ist in vielen anderen Regionen längst nicht mehr selbstverständlich!“, so Müller, der auf das Sozialamt in der Partnerstadt Berlin-Spandau verwies, das im September für elf Tage geschlossen war – „wegen dringend erforderlicher Aufarbeitung von Postrückständen.“

Ausgaben für Corona-Pandemie oder Ukraine-Krieg waren nicht planbar

Genauso wenig wie die Ausgaben im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg im Vorfeld planbar waren, genauso wenig vorhersehbar sind für den Kämmerer die zu erwartenden Einnahmen: „Es ist klar, dass das Land mehr als 500 Millionen Euro Bundesmittel an die Städte und Gemeinden in NRW für den Ausgleich von Flüchtlingskosten weiterleiten wird. 107 Millionen Euro liegen bereits seit April beim Land“, berichtete der Landrat: „Nur: Bekommen haben wir noch nichts. Und wir wissen auch nicht, wieviel wir bekommen werden – also wie groß unser Anteil ist. Denn es gibt noch keinen Schlüssel, nach dem das Geld auf die Städte, Gemeinden, Kreise und kreisfreien Städte verteilt werden soll. Für unseren Kämmerer eine sehr missliche Lage“, betont Müller.

Trotzdem ist es für den Landrat wichtig, dass der Kreis für die Menschen in der Region ein verlässlicher Partner ist – gerade in diesen Krisenzeiten.
Neben „Stabilität“ bei den Angeboten und Dienstleistungen der Kreisverwaltung setzt der Landrat gleichzeitig auf „Innovation“: „Wir lassen auch in Krisenzeiten die wichtigen Zukunftsaufgaben nicht liegen, die für die Entwicklung der Region unverzichtbar sind: Breitbandausbau, Prüfung von Floating Photovoltaikanlagen und dem Agri-Photovoltaik-Potenzial in der Region – also von Flächen für die gleichzeitige Nutzung zur Nahrungsmittelproduktion und für PV-Anlagen –, Sicherung der Trinkwasserversorgung durch eine dritte Talsperre, Mobilitätswende unter anderem durch forcierten Radwegebau“, benennt der Landrat einige Beispiele: „Egal ob Klimaschutz oder Infrastrukturausbau – wir lassen uns von der Krise nicht lähmen!“ betont Andreas Müller.

Mehrausgaben für Landschaftsumlage, Bürgergeld, Geflüchtete etc.

Als wesentliche Punkte für den steigenden Finanzbedarf des Kreises benannte Kämmerer Thomas Damm die Landschaftsumlage, die voraussichtlich um 6,8 Mio. Euro steigen wird.

10 Mio. Euro brutto Mehraufwand im Bereich SGB II – umgangssprachlich aktuell noch Hartz IV, demnächst „Bürgergeld“ – sind vor allem den gestiegenen Heizkosten geschuldet und der Tatsache, dass Geflüchtete aus der Ukraine seit dem 1. Juni Leistungen aus diesem Rechtskreis erhalten. Von den 10 Mio. Euro Mehraufwendungen übernimmt der Bund 68,4 Prozent.

Kostensteigerungen im Bereich der Hilfen in besonderen Lebenslagen erwartet der Kreis in Höhe von rund 1,8 Mio. Euro. Hier steigt z.B. die Zahl der Kinder, die durch Integrationshelfer in Regelschulen betreut werden. Allein dafür veranschlagt der Kreis 600.000 Euro zusätzlich.

2,2 Mio. Euro zusätzlich sieht der Kämmerer für den ÖPNV vor.

Neuer Rekord bei den Investitionen

Bei den Investitionen wird der Kreis zusätzlich zu den 52 Mio. Euro für den Breitbandausbau rund 38 Mio. Euro für weitere Projekte einsetzen.

Für den Unterhalt, Aus- und Neubau von Kreisstraßen sind 14,3 Mio. Euro vorgesehen – mit einem Schwerpunkt in Wittgenstein. Die größten Maßnahmen sind:

  • die Grunderneuerung der K49 zwischen Erndtebrück und Birkefehl,
  • der Ausbau der K34 zwischen Bad Laasphe und Rückershausen,
  • die Grunderneuerung der K41 zwischen Bad Laasphe und Schloss Wittgenstein oder
  • die Grunderneuerung der K 47 zwischen Erndtebrück und Balde.

Zudem veranschlagt der Kreis 400.000 Euro Planungskosten für Radwege und den Bau kleinerer Radwege-Teilstücke.

9,7 Mio. Euro sind für die Ertüchtigung der Deponie in der Fludersbach zur weiteren Nutzung als Erdaushub- und Inertstoffdeponie veranschlagt.

4,4 Mio. Euro will die Kreisverwaltung in Gebäude investieren, hauptsächlich in Rettungswachen: Im kommenden Jahr ist der Neubau der Wachen in Bad Laasphe und in Bad Berleburg vorgesehen, über einen Neubau in Wilnsdorf wird der Kreistag in diesem Jahr noch beraten. Für den Rettungsdienst sind zudem 2,4 Mio. Euro für die Beschaffung neuer Fahrzeug und deren Ausrüstung eingeplant.

Für Sanierungsarbeiten in den Berufskollegs sieht der Kreis 1,5 Mio. Euro vor, für Ausrüstungsgegenstände der vier BKs rund 1,3 Mio. Euro.

Stellenplan

Im Stellenplan für 2023 sind 13 zusätzliche Mitarbeiter für die Kreisverwaltung vorgesehen:

Die Polizeiverwaltung braucht zwei zusätzliche Kollegen, u.a. wegen neuer Anforderungen aus dem dritten Waffenrechtsänderungsgesetzes. Im Bereich „Ausländerangelegenheiten“ sind eine Verwaltungsstelle und zwei Stellen im Kontext des Kommunalen Integrationsmanagement, KIM, zur Umsetzung der Bleiberechtsregelungen im Aufenthaltsgesetz, für Beratungen und zur Bearbeitung von Einbürgerungsanträgen vorgesehen. Diese Stellen werden zu 100 Prozent vom Land gefördert.

Die – früher hieß es Heimaufsicht, heute WTG-Behörde – braucht zwei zusätzliche Mitarbeiter, da es immer mehr Einrichtungen zu betreuen gibt und durch Gesetzesänderungen neue Aufgaben hinzugekommen sind.

Der Regionale Sozialdienst muss um vier Stellen aufgestockt werden. Auch hier sind neue Aufgaben und Standards der Grund.

Im Rahmen des „Aufwuchspaktes Öffentlicher Gesundheitsdienst“ wird das Gesundheitsamt eine zusätzliche Stelle für Digitalisierungsprozesse erhalten. Diese Stelle ist im Haushaltsplan bereits abgebildet. Es zeichnet sich aber ab, dass noch weitere Stellen für das Gesundheitsamt folgen werden – alle zu 100 Prozent durch den Aufwuchspakt gegenfinanziert.

Zudem will der Kreis einen Mitarbeiter für ein dauerhaftes Energiemanagement einstellen – und zwei Bauingenieure für den Radwegebau. Die Einrichtung dieser drei Stellen hat der Kreistag bereits beschlossen.

Kleine Beträge mit großer Wirkung: Internationale Pflegeschule

Abschließend machte der Landrat noch einmal deutlich, dass sich die Wirkung des Kreises für die Region oftmals gar nicht in den großen Ausgabenposten des Kreishaushaltes wiederfindet. „Oft sind es kleine Beträge, die eine große Wirkung entfalten. Viel entscheidender als die Summe, die wir einsetzen, ist der Impuls, den wir damit in die Region geben – Stichwort ‚Innovation‘“, so Müller. Und der Landrat führte dafür noch ein aktuelles Beispiel an: Die Einrichtung einer Internationalen Pflegeschule. „Im ersten Schritt möchten wir schon im kommenden April 20 junge Frauen und Männer aus Vietnam nach Siegen holen, um hier am BiGS eine Pflegeausbildung zu absolvieren“, so der Landrat: „Dafür bitte ich den Kreistag, jährlich 87.000 Euro zur Verfügung zu stellen. Eine eher kleine Summe in einem 540 Millionen Euro Haushalt, aber ein wichtiger Impuls, um mit einem Pilotprojekt dem Fachkräftemangel im Pflegebereich etwas entgegenzuwirken.“