Haushaltsentwurf des Kreises:
Rekordinvestitionen / Deutliche Mehrbelastung durch Landschaftsumlage
Die Rekordsumme von 25,7 Mio. Euro will der Kreis Siegen-Wittgenstein im nächsten Jahr in die Entwicklung der Region investieren – das sind rund 8,1 Mio. Euro mehr als im laufenden Jahr 2016.
Die Rekordsumme von 25,7 Mio. Euro will der Kreis Siegen-Wittgenstein im nächsten Jahr in die Entwicklung der Region investieren – das sind rund 8,1 Mio. Euro mehr als im laufenden Jahr 2016. Dabei stehen Investitionen in die Infrastruktur eindeutig im Mittelpunkt, machte Landrat Andreas Müller jetzt bei der Vorstellung der Eckpunkte des Haushaltsentwurfs für 2017 deutlich.
So möchte der Kreis u.a. mehr als 10 Mio. für den Ausbau und die Sanierung bzw. Erneuerung von Kreisstraßen bereitstellen. „Die Kreisstraßen sind das Rückgrat der Verkehrsinfrastruktur in unserem ländlich geprägten Kreis“, erläutert der Landrat: „Deshalb haben wir seit meinem Amtsantritt die Mittel für den Unterhalt der Kreisstraßen Jahr für Jahr um mehr als eine Million Euro erhöht. Mit 10 Mio. Euro nehmen wir im nächsten Jahr doppelt so viel Geld für unsere Kreisstraßen in die Hand wie noch im Jahre 2013.“
Mittel für Kreisstraßen seit 2013 verdoppelt
Die größten Projekte im Bereich des Kreisstraßenbaus sind die K33 in der Ortslage Erndtebrück (1,1 Mio. Euro), die K40 zwischen Bad Berleburg Elsoff und Christianseck (1 Mio. Euro), die K45 zwischen Bad Berleburg-Rinthe und Hemschlar (1 Mio. Euro), die K 32 im Bereich von der Ortslage Netphen bis Brauersdorf (850.000 Euro) und die K23 in der Ortslage Neunkirchen-Altenseelbach (600.000 Euro).
Hinzu kommen bereits begonnene, terminierte und geplante Ausbaumaßnahmen von Bund und Land wie z.B. auf der B62 zwischen Kronprinzeneiche und Hilchenbach-Lützel und im Anschluss daran die L 719 zwischen Netphen-Walpersdorf und der Siegquelle sowie der 6-streifige Ausbau der A45. „Gemeinsam mit unseren Investitionen in die Kreisstraßen ist das ein starkes Signal für die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur in Siegen-Wittgenstein“, unterstreicht der Landrat.
7,7 Mio Euro für schnelles Internet
„Die Kreisstraßen von morgen sind die digitalen Netze“, beschreibt der Landrat den zweiten Investitionsschwerpunkt: In den Jahren 2017 und 2018 wird der Kreis jeweils rund 7,7 Mio. Euro in den Breitbandausbau investieren. Damit sollen die Ortslagen erschlossen werden, in denen die Telekommunikationsunternehmen nicht aus eigenem Interesse schnelles Internet anbieten wollen, weil sich der Ausbau dort aus ihrer Sicht für sie nicht rechnet. Die Förderzusage vom Bund über 7,7 Mio. liegt bereits vor, eine Summe in fast gleicher Höhe hat das Land ebenfalls zugesagt, der Förderbescheid wird in den nächsten Tagen im Kreishaus erwartet. Damit hat der Kreis nun grünes Licht für den Beginn der Ausbauarbeiten. Der Landrat dankte noch einmal den elf Bürgermeistern der Städte und Gemeinden. Diese hatten sich gemeinsam mit dem Kreis auf die Finanzierungsmodalitäten geeinigt und den Antrag des Kreises für die Fördermittel unterstützt.
Weitere größere Investitionen, die der Kreis für 2017 plant: Weiterbau der Erdaushub- und Inertstoffdeponie Fludersbach (2,5 Mio.) und Sanierung des Parkdecks am Berufskolleg Technik (1,9 Mio.).
Hebelwirkung vervielfacht eingesetzte Mittel des Kreises
„Wir sind nur deshalb in der Lage, die Rekordsumme von 26,7 Mio. Euro im kommenden Jahr zu investieren, weil es uns durch frühzeitige und intelligente Planungen gelungen ist, einen zweistelligen Millionenbetrag an Fördermitteln in die Region zu holen“, unterstreicht Andreas Müller: „In vielen Fällen gelingt es uns, mit jedem Euro, den wir selbst einsetzen, eine enorme Hebelwirkung zu erzielen“, erläutert der Landrat. Etwa bei den Kreisstraßen: Hier beträgt die Förderquote 60 Prozent. Mit anderen Worten: Der Kreis erhält für jeden eingesetzten Euro zusätzlich 1,50 Euro vom Land.
Beim Breitbandausbau ist das Verhältnis noch günstiger, denn die Region muss so gut wie gar kein eigenes Geld aufbringen: lediglich einige Kommunen müssen für die Landesförderungen einen 10-prozentigen Eigenanteil leisten.
Auch bei Maßnahmen, die der Kreis mit Mitteln aus dem Kommunalinvestitionsförderungsgesetz finanziert, ist die Hebelwirkung enorm: Für jeden aus eigenen Mitteln eingesetzten Euro erhält der Kreis weitere 9 Euro dazu. So muss der Kreis selbst lediglich 245.000 Euro aufbringen, kann aber Maßnahmen im Wert von 2,4 Mio. Euro umsetzen.
Pilotprojekt zum Klimaschutz mit Mitteln aus Kommunalinvestitionsförderungsgesetz
„Mit den Mitteln aus dem Kommunalinvestitionsförderungsgesetz setzen wir einen starken Akzent im Bereich des Klimaschutzes“, erläutert Andreas Müller: „Wir nutzen diese Gelder überwiegend für energetische Sanierungen in kreiseigenen Gebäuden.“ So werden z.B. in verschiedenen Berufskollegs und der Garage am Kreishaus Fenster und Türen erneuert bzw. ausgetauscht. Das Berufskolleg Technik hat erst kürzlich ein Blockheizkraftwerk erhalten und auch in der Kreissporthalle wird die Heizungsanlage erneuert werden.
Im Berufskolleg AHS führt der Kreis ein Projekt mit der Firma Sander & Sander Heizungsoptimierungs GmbH durch. Diese hat eine neue Technik zur Steuerung von Heizungsanlagen entwickelt und zum Patent angemeldet. Damit soll eine Energieeinsparung von 30 bis 40 Prozent erreicht werden. Der Effekt für die Umwelt tritt sofort ein, mittelfristig auch eine finanzielle Entlastung für den Kreis: Denn – je nach Entwicklung des Gaspreises – wird sich die neue Technik nach 4 bis 6 Jahren refinanziert haben.
Eine weitere Investition in die Attraktivität der Region, die aus dem allgemeinen Haushalt des Kreises finanziert wird, ist das kostenfreie Schülerticket, das alle Vollzeitschüler in Siegen-Wittgenstein von der Einschulung bis zum Abitur erhalten. Dafür sind im nächsten Kreishaushalt 3,9 Mio. Euro vorgesehen.
Hebesätze, Aufwand und Ertrag
Insgesamt hat der Haushaltsentwurf des Kreises Siegen-Wittgenstein für 2017 ein Aufwandsvolumen von 372,3 Mio. Euro. Diesen geplanten Ausgaben stehen Einnahmen in Höhe von 364,5 Mio. Euro gegenüber. Die Deckungslücke von 7,8 Mio. Euro soll durch die Aufnahme von neuen Schulden gedeckt werden. Damit wird die so genannte „Ausgleichsrücklage“, in deren Höhe der Kreis Schulden aufnehmen kann, ohne ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen zu müssen, Ende 2017 voraussichtlich auf dann nur noch 9 Mio. Euro abgeschmolzen sein.
„Im Grund weist der Ergebnisplan für das Jahr 2017 keine Besonderheiten auf – mit einer gravierenden Ausnahme“, erläuterte Kämmerer Thomas Damm bei der Vorstellung des Zahlenwerkes: Der Kreis wird im kommenden Jahr 7,6 Mio. Euro mehr an den Landschaftsverband Westfalen-Lippe zahlen müssen als im laufenden Jahr. Der Landschaftsverband ist in erster Linie für die Wiedereingliederung von Behinderten zuständig. Die Kosten hierfür steigen Jahr für Jahr deutlich.
Für den Kreis Siegen-Wittgenstein bedeutet das, dass er im kommenden Jahr insgesamt 74,5 Mio. Euro an den Landschaftsverband überweisen muss, was rund 46 Prozent der allgemeinen Kreisumlage entspricht.
Landschaftsumlage
Ursprünglich hatte der Kreiskämmerer bereits eine Erhöhung der Landschaftsumlage von 4,9 Mio. Euro in seinen Haushaltsentwurf eingeplant. Auf dieser Basis wäre es dann möglich gewesen, den Hebesatz der allgemeinen Kreisumlage unverändert bei 39,75 Prozentpunkten zu belassen. Die nun insgesamt 7,6 Mio. Euro, die der Landschaftsverband 2017 einfordern wird, machen fast 2 Prozentpunkte der Kreisumlage aus. Deshalb schlägt der Kämmerer eine leichte Erhöhung des Hebesatzes der allgemeinen Kreisumlage um nur 0,54 Prozentpunkte auf 40,29 Prozentpunkte vor.
Diese Erhöhung ist aus Sicht des Kreises aber auch vertretbar. Denn im Jahre 2017 wird der Bund den Städten und Gemeinden voraussichtlich rund 1,5 Milliarden Euro über den Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer zusätzlich zur Verfügung stellen, so hat es das Bundeskabinett jüngst beschlossen. Die elf Städte und Gemeinden im Kreis Siegen-Wittgenstein werden davon nach ersten Berechnungen voraussichtlich einen Betrag von rund 6,4 Mio. Euro erhalten.
Die Idee des Bundes war es, diese Gelder für die Wiedereingliederungshilfe von Behinderten zur Verfügung zu stellen. Dafür ist der Landschaftsverband zuständig. Wenn die Gelder nun aber an die Kommunen gehen, führen die Mechanismen von Landschafts- und Kreisumlage dazu, dass der Kreis dieses Geld von den Kommunen an den LWL weiterleiten muss.
Veränderungen gegenüber 2016
Wenn der Kreistag wie vorgeschlagen den Hebesatz der allgemeinen Kreisumlage auf 40,29 Prozentpunkte anhebt, erhält der Kreis im kommenden Jahr rund 13,2 Mio. Euro mehr von den Kommunen als im laufenden Jahr. Den Löwenanteil dieses Betrages leitet der Kreis, wie dargelegt, direkt an den Landschaftsverband weiter – nämlich zusätzliche 7,6 Mio. Euro. Darüber hinaus wird der Kreis im kommenden Jahr rund 5,3 Mio. Euro weniger Schlüsselzuweisungen vom Land bekommen. Allein schon diese beiden Posten – höhere Landschaftsumlage und Verminderung der Schlüsselzuweisungen – zehren die 13 Mio. Euro zusätzliche Erträge aus der Kreisumlage praktisch wieder auf.
Darüber hinaus gibt es im Entwurf des Kreishaushalts weitere Veränderungen gegenüber 2016 – sowohl Verbesserungen als auch Verschlechterungen: So steigen die Kosten für Hilfen in besonderen Lebenslagen um 1,7 Mio. Euro und die für die integrative Beschulung um 1,45 Mio. Euro. Auf der anderen Seite erwartet der Kreis zusätzliche Erstattungen im Bereich der „Hartz-IV“-Leistungen (SGB II) in Höhe von rund 1,8 Mio. Euro und bei der klassischen Sozialhilfe (SGB XII) rund 1 Mio. Euro.
Darüber hinaus weist Kämmerer Thomas Damm auf ein Phänomen hin, das schon seit Jahren unverändert die Grundproblematik der Kreisfinanzierung deutlich macht: „Auch beim vorliegenden Haushaltsentwurf wird einmal mehr deutlich, dass die Kreisumlage und die Schlüsselzuweisungen des Landes gemeinsam nicht ausreichen, um die Sozialleistungen, die der Kreis zu finanzieren hat, zu bezahlen.“ Kreisumlage und Schlüsselzuweisungen haben zusammen eine Höhe von rund 225 Mio. Euro, die Sozialleistungen erfordern aber Ausgaben in Höhe von rund 254 Mio. Euro. „Es handelt sich hierbei um eine strukturelle Schieflage, die in der chronischen Unterfinanzierung der Kreise begründet ist“, machte Kämmerer Thomas Damm einmal mehr deutlich.
Differenzierte Jugendamtsumlage
Im Bereich der differenzierten Jugendamtsumlage schlägt der Kreis eine Senkung des Hebesatzes um 1,83 Prozentpunkte vor, von 19,75 auf 17,92 Prozentpunkte. Dies bedeutet für die zehn Städte und Gemeinden, für die der Kreis Jugendhilfeträger ist, eine praktisch unveränderte finanzielle Belastung gegenüber 2016. Die Stadt Siegen ist an der Jugendamtsumlage nicht beteiligt, weil sie ein eigenes Jugendamt hat.
Für die Kinderbetreuung wird der Kreis im kommenden Jahr etwa 48 Mio. Euro aufwenden. Der Eigenanteil des Kreises liegt hier bei rund 22,5 Mio. Euro. Mit diesem hohen Zuschuss wird der Kreis auch im kommenden Jahr wieder Elternbeiträge für die Kindertagesbetreuung ermöglichen, die landesweit zu den niedrigsten gehören. Die Landeszuweisungen für die Kindertagesbetreuung werden voraussichtlich um 1,9 Mio. Euro steigen, in gleicher Höhe ist allerdings auch mit einer Steigerung der Kosten zu rechnen.
Personal
Der Stellenplan des Kreises umfasst für 2017 580 Angestelltenstellen (minus 9,5) und 177,5 Stellen für Beamte (minus 1,5). Die Stelleneinsparungen ergeben sich vor allem im Bereich der Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) des Kreises in Burbach und Bad Berleburg. Weil weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen, werden dort auch weniger Mitarbeiter zur Registrierung der Geflüchteten benötigt.
Im Bereich des Jugendamtes schlägt die Kreisverwaltung vor, dreieinhalb neue Stellen einzurichten, um bei der Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge den gestiegenen Fallzahlen gerecht werden zu können.
Auch das Ausländeramt soll, so der Verwaltungsvorschlag, für die Bearbeitung von Flüchtlingsangelegenheiten einen zusätzlichen Mitarbeiter erhalten.
Für die Überwachung der chemikalienrechtlichen Vorschriften im Einzelhandel ist eine zusätzliche halbe Planstelle vorgesehen und für die vom Jobcenter auszuzahlenden Leistungen der Kosten der Unterkunft soll ein Controller eingestellt werden.
Hinzu kommen 2017 vier neue Stellen, die der Kreistag bereits beschlossen hat. Diese sind projektbezogen und befristet und werden zu großen Teilen über Fördergelder finanziert: Hierzu zählen neue Stellen im Kommunalen Integrationszentrum, in der Geschäftsstelle des Touristikverbandes und im Amt für Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung.
Insgesamt belaufen sich die Personalkosten und der Versorgungsaufwand des Kreises im kommenden Jahr auf rund 58,8 Mio. Euro. Davon werden dem Kreis 8,8 Mio. Euro erstattet, etwa für die Mitarbeiter der EAE. Netto muss der Kreis also 50 Mio. für seine Mitarbeiter aufbringen, das sind ca. 2,9 Prozent mehr als im laufenden Jahr. Diese Steigerung ist im Wesentlichen auf Tariferhöhungen, die Einführung der neuen Entgeltordnung im Öffentlichen Dienst und das Dienstrechtsmodernisierungsgesetz zurückzuführen.
Personalentwicklung im Vergleich
„Der Kreis Siegen-Wittgenstein hat in den vergangen Jahren eine äußerst zurückhaltende Personalpolitik betrieben. Für neue Stellen wurden in aller Regel andere Stellen eingespart. Diese Politik sucht landesweit ihresgleichen“, betonte Landrat Andreas Müller bei der Vorstellung des Haushaltsentwurfes. Dafür gibt es handfeste Belege: Der Landkreistag NRW hat die Stellenentwicklung der Kreise in den Jahren 2015 und 2016 untersucht. Dabei wurde deutlich, dass landesweit in den Kreisen massiv neue Stellen geschaffen wurden – selbst wenn man alle flüchtlingsbedingten neuen Stellen abzieht. Insgesamt haben alle anderen 30 Kreise in NRW in diesem und im letzten Jahr 1.345 neue Stellen eingerichtet. Manche über 100, andere auch nur im zweistelligen Bereich. Damit hat im Durchschnitt jeder der 30 Kreise 44 neue Planstellen geschaffen. Im gleichen Zeitraum hat die Kreisverwaltung Siegen-Wittgenstein dagegen gerade einmal fünf (!) neue Stellen eingerichtet – und alle waren flüchtlingsbedingt.*) „Ich denke, diese Zahlen machen deutlich, dass die Personalausstattung der Kreisverwaltung Siegen-Wittgenstein keinesfalls zu üppig ist und wir sehr solide wirtschaften“, so das Fazit des Landrates.
*) Die Erstaufnahmeeinrichtung des Kreises wurde vom Landkreistag bei dieser Auswertung nicht berücksichtigt, weil nur die Kreise Unna und Siegen-Wittgenstein solche Einrichtungen haben und diese auch zu 100 Prozent vom Land finanziert werden.