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Datum: 13.06.2024

Ausstellung „Rosa Winkel“ im Kreishaus eröffnet
Uni Jena dokumentiert Schicksal verfolgter Homosexueller im Nationalsozialismus

„Rosa Winkel. Als homosexuell verfolgte Häftlinge in den KZs Buchenwald und Mittelbau-Dora.“ – das ist der Titel einer Ausstellung, die bis 12. Juli im Foyer des Kreishauses in Siegen zu sehen ist.

„Rosa Winkel. Als homosexuell verfolgte Häftlinge in den KZs Buchenwald und Mittelbau-Dora.“ – das ist der Titel einer Ausstellung, die zurzeit im Foyer des Kreishauses in Siegen zu sehen ist. Eröffnet wurde sie u.a. von Landrat Andreas Müller und Dr. Daniel Schuch von der Universität Jena. Organisatoren der Ausstellung in Siegen sind die Kreisvereinigung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist:innen (VVN-BdA ) Siegerland-Wittgenstein und die Queere Initiative Siegen.

Die Ausstellung wurde von Studierenden der Friedrich-Schiller-Universität Jena in Zusammenarbeit mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora erarbeitet.

Den Kern der Ausstellung bilden die etwa 700 Männer, die im Nationalsozialismus als Homosexuelle in die KZs Buchenwald und Mittelbau-Dora verschleppt wurden. Dort mussten sie auf ihrer blau-weiß gestreiften Häftlingskleidung einen rosa Winkel zur Kennzeichnung tragen. „Als derart stigmatisierte Häftlinge standen sie zeitweise ganz am Ende der nach sozialrassistischen Kriterien hierarchisierten Häftlingsgesellschaft. Ihre Überlebenschancen waren geringer als die der meisten anderen Häftlingsgruppen“, machte Dr. Schuch deutlich: „Sie wurden besonders harten Arbeitskommandos wie dem Steinbruch zugewiesen, litten unter Misshandlungen durch die SS und mussten auch Übergriffe durch Mithäftlinge ertragen. In Buchenwald wurden manche zu pseudo-medizinischen Versuchen herangezogen, um ihre Homosexualität zu ‚heilen‘, wie wir in einem eigenständigen Kapitel aufzeigen.“

Die Ausstellung wirft aber auch einen Blick auf die Nachkriegszeit: „Angesichts der andauernden Ausgrenzung und Verfolgung verwundert es kaum, dass die Betroffenen der NS-Homosexuellen-Verfolgung im offiziellen Gedenken in Deutschland und weltweit jahrzehntelang verschwiegen wurden. Erst in den 1970er Jahren begann sich das zu ändern. Schwulen- und Lesbeninitiativen erinnerten in den USA, später auch in der alten Bundesrepublik und in der DDR mit Flugblättern und auf Demonstrationen an die Verfolgung von Homosexuellen durch die Nazis.“

Und heute? „Gleichheit vor dem Gesetz und Schutz vor Hass und Gewalt bleiben für queere Menschen fast überall auf der Welt ein bislang noch nicht erreichtes Ziel, auch in Deutschland ist noch keine vollständige rechtliche Gleichstellung und soziale Emanzipation erreicht. Die Ausstellung soll ein Bewusstsein dafür schaffen, wie wichtig es ist, dies zu verändern“, so Dr. Schuch.

Landrat Andreas Müller ging in seiner Begrüßung ebenfalls auf aktuelle Entwicklungen ein. „Ja, queere Menschen sind in Deutschland rechtlich weitestgehend gleichgestellt“, sagte er. „Ob sie auch wirklich angstfrei leben können, ist eine andere Frage. Die Kriminalstatistik gibt sicherlich einen Hinweis auf eine mögliche Antwort auf diese Frage. 1.499 Straftaten gegen die sexuelle Orientierung wurden 2023 in Deutschland polizeilich erfasst. Fast 50 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. In Siegen-Wittgenstein waren es in beiden Jahren jeweils 4 Straftaten dieser Art. Diese reichen von Sachbeschädigungen über Volksverhetzungen bis hin zu Beleidigung“, so der Landrat, der auch Leiter der Kreispolizeibehörde ist.

„Es ist uns ein großes Anliegen, dass das Schicksal der queeren Menschen, die im Nationalsozialismus ausgesondert und ausgelöscht werden sollten – und auch wurden – auch heute noch in der Mitte der Gesellschaft Platz hat und wahrgenommen wird“, sagte Verena Stamm, Sprecherin der Kreisvereinigung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschist:innen: „Dazu ist der Veranstaltungsort, in diesem öffentlichen und zentralen Gebäude natürlich sehr gut geeignet“, so Stamm weiter. „Die Erinnerung an die Opfer der Nazizeit ist ein wesentlicher Teil unserer Arbeit als VVN- BdA. Esther Bejarano und Peter Gingold, beide wichtige und leider bereits verstorbene Vertreter der VVN, haben die Vereinigung mal als ‚den organisierten Ausdruck des kollektiven Gedächtnisses an Widerstand und Verfolgung‘ bezeichnet. 2014 haben wir Alexander Zinn in Siegen zu Gast gehabt. Er hat damals aus seinem Buch über Rudolf Brazda gelesen – Rudolf Brazda war schwul und darum von 1942 bis 1945 im KZ Buchenwald inhaftiert. In der Ausstellung wird auch an sein Schicksal erinnert. Mit der Präsentation der Wanderausstellung knüpfen wir nun, 10 Jahre später, erneut an das Thema an.“

Am queeren Zentrum andersROOM in Siegen ist ein Rosa Winkel angebracht - daran erinnerte Ansgar Cziba von der Queere Initiative Siegen, die aus der Schwulen Initiative Siegen (SIS) hervorgegangen ist. „Als langjähriger Besucher der Gedenkstätte Buchenwald habe ich mit Genugtuung 2011 die Errichtung eines Gedenksteines für die homosexuellen Opfer zur Kenntnis genommen und wir haben anlässlich der jährlichen Gedenkveranstaltung 2011 einen von der SIS gestifteten Kranz dort niedergelegt. In der Neukonzeption der Ausstellung in der Effektenkammer in Buchenwald ist das Schicksal der Rosa-Winkel Häftlinge mittlerweile thematisch aufgearbeitet. Umso mehr freut uns, dass jetzt Studierende der Universität in Jena in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Buchenwald diese Ausstellung erarbeitet haben und für die deutsche Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Die Gelegenheit wollten wir von der Qeeren Initiative Siegen gerne nutzen, um die Aufarbeitung auch in Siegen noch einmal ins Gedächtnis rufen“, so Cziba.

Die Ausstellung „Rosa Winkel. Als homosexuell verfolgte Häftlinge in den KZs Buchenwald und Mittelbau-Dora.“ ist bis zum 12. Juli zu den üblichen Öffnungszeiten im Foyer des Kreishauses zu sehen.