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Datum: 24.05.2016

Integration durch Begegnung – viele wollen daran mitarbeiten!
Auftaktveranstaltung „Initiative Vielfalt und Zusammenhalt für Siegen-Wittgenstein“

An einem großen, viereckigen „runder Tisch“ im Kulturhaus Lÿz hat jetzt das erste Treffen von Unterstützern der „Initiative Vielfalt und Zusammenhalt für Siegen-Wittgenstein“ stattgefunden. Landrat Andreas Müller hatte dazu im Namen der Initiatoren eingeladen.

Es war ein großer, viereckiger „runder Tisch“, der die Aula des Kulturhauses Lÿz komplett ausfüllte. Landrat Andreas Müller hatte für das erste Treffen von Unterstützern der „Initiative Vielfalt und Zusammenhalt für Siegen-Wittgenstein“ diese Sitzformation ganz bewusst gewählt. Damit wollte er deutlich machen, dass es sich um eine Initiative auf Augenhöhe handelt, zu der die Initiatoren zwar den Anstoß gegeben haben, die aber vom breiten Engagement ganz vieler aus der Mitte der Gesellschaft lebt.

Und so waren über 60 Unterstützer zum ersten Treffen der Initiative gekommen – Persönlichkeiten aus allen Lebensbereichen: Sport, Kultur, Jugend, Wirtschaft, Gewerkschaften, Kirchen, Universität Siegen, Kreisfeuerwehrverband, Heimatbund Siegerland-Wittgenstein e.V. – und Vertreter zahlreicher Schulen, was Landrat Andreas Müller besonders freute.

Müller machte am Anfang deutlich, dass die Initiative nicht „noch ein Bündnis, keine neue Flüchtlingshilfe oder ein zusätzlicher Migrantenverein“ sein möchte. Vielmehr wünscht er sich die Initiative als Netzwerk zum Austausch, als Sprachrohr, als Unterstützergremium für gute Ideen und vielleicht sogar als Ideenschmiede. Die Arbeit der Initiative ist langfristig angelegt. Ziel müsse es sein, allen, die dem friedlichen Miteinander von Menschen unterschiedlicher kultureller und religiöser Prägungen skeptisch gegenüber stehen, zu zeigen: „Es geht doch!“

Im Anschluss war die rund zweistündige Auftaktveranstaltung von zahlreichen Wortbeiträgen geprägt, in denen die Teilnehmer von ihren Erfahrungen in der Arbeit mit Zuwanderern und Flüchtlingen berichteten, Aufgaben und Herausforderungen für die Zukunft skizzierten und ihre Erwartungen an die Initiative formulierten.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“ gilt für alle

Superintendent Thomas Stuberg machte deutlich, dass die Initiative für ihn vor allem etwas beschreibe, was schon da sein, nämlich „Vielfalt und Zusammenhalt“ in unserer Gesellschaft. Es sei imposant, wie viele wunderbare Begegnungen des Miteinanders es immer wieder gebe.

Auch Michael Groos von den Grünen verwies auf eine durchaus positive Entwicklung: Im Vergleich zu den 90er Jahren, als zuletzt viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen seien, gebe es heute eine völlig andere Willkommenskultur und die Hilfsbereitschaft sei enorm viel größer.

Der Bundestagsabgeordnete Willi Brase stimmte dem grundsätzlich, machte aber deutlich, dass er auf der anderen Seite eine zunehmende Aus- und Abschätzung und eine Geringschätzung anderer Menschen wie nie zuvor feststelle. Dem stelle sich die Initiative bewusst entgegen. Dabei verwies Brase auf den Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Dies gelte für jeden!

Von Sport bis Heimatverein: Integration durch Vereinsarbeit

Ottmar Haardt, Vorsitzender des Kreissportbundes, berichtete, dass viele Sportvereine in Flüchtlingsunterkünfte gehen und dort Training anbieten. Demnächst werde der Kreissport sogar einen hauptamtlichen Koordinator für diesen Bereich beschäftigen können, der vom Land gefördert wird.

Deutlich wurde aber auch, dass sich bisher nur ein sehr kleiner Teil von Migranten in örtlichen Vereinen engagiert. Der Fußball sei hier eine positive Ausnahme, andere Vereine – von Chören, über Heimat- oder Sportvereine bis hin zu den Freiwilligen Feuerwehren – haben nur wenige Menschen mit Migrationshintergrund in ihren Reihen.

Hier wurden in den letzten Jahrzehnten Chancen vergeben, die jetzt besser genutzt werden sollten – waren sich die Teilnehmer einig. Insbesondere bei jungen Zuwanderern müsse deshalb verstärkt für das Angebot der Vereine geworben werden, beginnend in der Schule.

„Gutes Wohnen“ und Arbeit Voraussetzung für gelungene Integration

Auch mit den Themen „Wohnen“ und „Arbeit“ beschäftigten sich die Teilnehmer der Auftaktveranstaltung. So wurde die Bereitschaft von Unternehmen deutlich, Arbeitsplätze für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Hubert Multhaup, der sich für die Gemeinde Neunkirchen darum kümmert, Flüchtlinge in Lohn und Brot zu bringen, konnte dies bestätigen und von 17 Arbeitsplätzen berichten, die er schon für Flüchtlinge einwerben konnte.

Allerdings wurde auch deutlich, dass die Qualifizierung von Zuwanderern ein großes Thema bleiben wird. Dies unter anderem deshalb, weil die Wirtschaft vor allem hoch qualifizierte Fachkräfte benötige, sagte Dr. Thorsten Doublet von der Unternehmerschaft Siegen-Wittgenstein.

Dass eine ordentliche Wohnung Voraussetzung für eine funktionierende Integration sei, machten ebenfalls viele Teilnehmer deutlich. Erst mit einer eigenen Wohnung habe man Nachbarn und könne soziale Kontakte aufbauen. Dabei müsse insbesondere darauf geachtet werden, dass Einkommensschwache und Zuwanderer bei der Suche nach preiswertem Wohnraum nicht gegeneinander ausgespielt würden. Landrat Andreas Müller leitete daraus für sich den Auftrag ab, mit der kreiseigenen Kommunalen Siedlungsgesellschaft (KSG) und der KEG der Stadt Siegen zu sprechen, um auszuloten, inwieweit sich beide Gesellschaften verstärkt in diesem Bereich engagieren können.

Auch der Heimatbund Siegerland-Wittgenstein könne dazu beitragen, dass sich Neubürger und Alteingesessene besser kennenlernen, unterstrich der Vorsitzende Paul Breuer. Insbesondere die örtlichen Heimatvereine hätten die Chance, die Zugewanderten mit unseren Bräuchen vertraut zu machen.

Schule als Ort gelebter Integration

Aus den Reihen der Vertreter zahlreicher Schulen wurden Projekte und Ansätze geschildert, die deutlich machen, wie viel gute und erfolgreiche Projekte und Initiativen es derzeit schon gibt, die das friedliche Miteinander und den Zusammenhalt von Schülern unterschiedlichster persönlicher Hintergründe fördern.

Gerade den Schulen machte Magnus Reitschuster, Intendant des Apollo Theaters, das Angebot, die erfolgreiche Inszenierung „Fahr Deinen Film“ auch in Schulen aufzuführen. In dem Stück stehen Schauspieler, die selbst Migrationshintergrund haben, auf der Bühne und kommen anschließend mit den Schülern ins Gespräch.

Von Schulvertretern kam auch der Vorschlag, verstärkt Paten anzuwerben, die Schülern mit Migrationshintergrund an der Seite stehen können – diese könnten z.B. aus den Reihen der Eltern anderer Schüler kommen, sagte Rüdiger Käuser, Leiter des Fürst-Johann-Moritz-Gymnasiums. Die Idee der Patenschaften griff auch Willi Brase gerne auf – die aus seiner Sicht aber nicht nur für Schüler Sinn machen, sondern auch gerade für junge Erwachsene.

Die jungen Erwachsenen hatte auch Heiner Giebeler vom Kreisjugendring im Blick: Für die über 18-Jährigen bestehe keine Schulpflicht mehr und sie hätten oft einfach nichts zu tun. Deshalb müssten für diese Zielgruppen spezielle Angebote entwickelt werden. Der Kreisjugendring wolle zudem dazu beitragen, dass die Teilhabe aller am öffentlichen Leben noch besser gelinge. Zugleich stellte Giebeler die Frage in den Raum, was Zusammenhalt eigentlich ausmache? Denn Vielfalt dürfe nicht mit Beliebigkeit verwechselt werden, so der Geschäftsführer des Kreisjugendrings.
Dass Integration nur durch Kontaktaufnahme funktioniere, unterstrichen auch Schülervertreter des Löhrtor-Gymnasiums.

Aufträge für weitere Arbeit der Initiative

Am Ende der Auftaktveranstaltung fasste Landrat Andreas Müller die zahlreichen Anregungen zusammen und formulierte daraus einen Arbeitsauftrag für die nächsten Schritte: Zum einen arbeitet das Kommunale Integrationszentrum des Kreises daran, gute Beispiele für gelungene Integrationsarbeit aus allen Bereichen von Kultur über Schule bis hin Sport zusammenzutragen. Diese sollen dann breiter bekannt gemacht werden.

Zum anderen wollen die Unterstützer der Initiative über E-Mail miteinander in Kontakt bleiben, um über ihre Aktivitäten zu berichten, aber auch um z.B. Unterstützung bei konkreten Projekten zu koordinieren.

Ein weiteres Ziel ist es, bei Deutschen mit Migrationshintergrund stärker für ein Engagement im Rahmen der Integrationsarbeit zu werben. Und schließlich werden die Initiatoren weitere Treffen vorbereiten. Diese sollen dann jeweils unter einem bestimmten Schwerpunktthema stattfinden.