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Datum: 30.05.2023

Opfer einer Straftat? Rotmilan-Mutter liegt tot im Nest 

Ein Mordfall der etwas anderen Art beschäftigt jetzt die Biologische Station Siegen-Wittgenstein. Eine Rotmilan-Mutter wurde tot in ihrem Nest gefunden.

Dramatische Ereignisse haben jetzt Naturfreunde per Live-Kamera in einem Horst im Vogelschutzgebiet „Wälder und Wiesen bei Burbach und Neunkirchen“ miterlebt – fast wie im Krimi. Denn am Ende könnte es sich tatsächlich um eine Straftat handeln! 

Im Rahmen des LIFE-Projektes „Siegerländer Kultur- und Naturlandschaften“ hatte die Biologische Station drei potenzielle Horste zum Monitoring von Rotmilanen mit Kameras ausgestattet. Neben dem Monitoring sollte den Zuschauern auch ein Blick in das Leben der Rotmilane ermöglicht werden, das sonst doch eher im Verborgenen stattfindet. Ein Horst wurde letztendlich auch von einem Brutpaar ausgewählt. Und es stellt sich Nachwuchs ein! Ab dem 7. Mai 2023 konnten im Nest die geschlüpften Jungtiere beobachtet werden.

Doch nur 10 Tage später war es mit der Familienidylle vorbei! Die Kamera zeigte ein furchtbares Bild. Die Mutter lag tot im Nest, der Vater war seit mindestens 28 Stunden nicht mehr von der Kamera eingefangen worden. Für die Mitarbeiter der BioStation war nicht klar, ob nicht sogar beide Elternvögel tot im Nest lagen. Um nachzuschauen, ob die Jungtiere noch leben und um den toten Vogel zu bergen, wurde der Horst mit Hilfe eines professionellen Baumkletterers überprüft. Der Muttervogel lag leblos, verkrampft und mit ausgebreiteten Schwingen im Nest. Die Jungtiere lebten, waren aber ausgekühlt und in keiner guten Verfassung. Weil die Eltern nicht mehr da waren und die Temperaturen nachts nahe des Gefrierpunktes lagen, wurden auch die Jungvögel aus dem Nest geborgen. Bereits am nächsten Tag ging es ihnen sichtlich besser. Sie wurden zur Aufzucht und zur späteren Auswilderung an die Greifvogelstation in Rösrath übergeben. Zumindest für sie ein kleines Happy End – sie werden wohl überleben und eines Tages in Freiheit über unseren Wäldern fliegen.

Dieser „Kriminalfall“ wirft für die Mitarbeiter der BioStation tatsächlich wichtige Fragen auf: Was ist passiert? Woran ist die Mutter der Rotmilane gestorben? Denn die Antwort auf diese Fragen ist durchaus wichtig für den weiteren Schutz der Tiere: Aufgrund der Haltung des toten Vogels im Nest und aufgrund der Tatsache, dass das Tier keine äußerlichen Wunden aufweist, besteht der dringende Verdacht, dass das Tier an Gift gestorben ist. Abschließend lässt sich das aber noch nicht belegen. Das weibliche Alttier wird zurzeit durch das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Rhein-Ruhr-Wupper obduziert, um die Todesursache zu ermitteln.

Etwa 65% des weltweiten Gesamtbestandes des Rotmilans kommen in Deutschland vor. In Nordrhein-Westfalen liegt der Verbreitungsschwerpunkt in den Mittelgebirgslagen, wodurch wir eine besondere Verantwortung für den Schutz dieser Art tragen. Gefährdungs- und Todesursachen sind vielseitig. Vergiftungen als Gefährdungsursache sind dabei nicht zu unterschätzen. Beispielsweise konnte im LIFE-Projekt Euro-kite (Stand 01.2023) festgestellt werden, dass von 897 toten mit Sendern ausgestatteten Rotmilanen 128 (14,3%) Tiere nachweislich durch Vergiftung gestorben sind.

Der hohe Anteil vergifteter Rotmilane in der Stichprobe ist sehr bedenklich. Teilweise werden Rotmilane gezielt vergiftet, oft fallen sie aber auch illegalen Vergiftungsversuchen von anderen Arten, wie Kolkraben, Füchsen oder Waschbären zum Opfer. Giftköder in der Landschaft sind generell ein Problem, das nicht nur Hundehalter betrifft. Die Bürgerinnen und Bürger sind daher aufgerufen, den Fund von Ködern oder/und toten Greifvögeln unbedingt der Polizei, der Biologischen Station oder dem Amt für Natur und Landschaft des Kreises zu melden. Da Greifvögel, insbesondere der Rotmilan, in Deutschland streng geschützt sind handelt es sich bei illegaler Greifvogelverfolgung um eine Straftat.