Besuch im Herzen und der grünen Lunge von Israel:
50 Jahre Partnerschaft zwischen Emek Hefer und Siegen-Wittgenstein
Seit genau 50 Jahren besteht jetzt die Partnerschaft zwischen Siegen-Wittgenstein und dem Kreis Emek Hefer in Israel. Aus diesem Anlass war jetzt eine 25-köpfige Delegation mit Landrat Andreas Müller an der Spitze nach Emek Hefer gereist
Seit genau 50 Jahren besteht jetzt die Partnerschaft zwischen Siegen-Wittgenstein und dem Kreis Emek Hefer in Israel. Aus diesem Anlass war jetzt eine 25-köpfige Delegation mit Landrat Andreas Müller an der Spitze nach Emek Hefer gereist, um dieses ganze besondere Jubiläum mit den Freunden vor Ort zu feiern. Zur Delegation gehörten Mitglieder der Kreistagsfraktionen und der Kreisverwaltung, des Kreisjugendrings, der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und des Aktiven Museums Südwestfalen.
„Freundschaft“ war das Leitmotiv des Festabends, den die Gastgeber ausgerichtet hatten, moderiert und überwiegend gestaltet von jungen Leuten aus Emek Hefer. Landrat Andreas Müller fragte in seiner Rede, was „Freundschaft“ eigentlich ist, und antwortete mit einem Zitat, das er im Online-Portal „studyfix“ gefunden hatte: „Mit Freundschaft beschreibst du eine freiwillige Beziehung zwischen zwei Menschen. Damit die Freundschaft funktioniert, müssen sich die beiden unterstützen, respektieren und aufeinander verlassen können. Freunde machen dabei glücklicher und gesünder!“ All das treffe aus seiner Sicht auch auf Kommunen zu, betonte der Landrat, und bedankte sich noch einmal ganz herzlich bei den Israelis, die damals, 1966, bei den ersten Begegnungen bereit waren, ihre Herzen und Häuser für Menschen aus Deutschland zu öffnen – gerade einmal 20 Jahre nach dem Holocaust.
Als Geschenk hatte Müller einen Scheck über 5.000 Euro mitgebracht, den er seiner Amtskollegin Galit Shaul überreichte. Mit dem Geld soll Jugendlichen aus Emek Hefer, die aus sozial schwächeren Familien kommen, eine Teilnahme am Austauschprogramm ermöglicht werden.
Vielfältiges Programm
Geprägt waren die sieben Reisetage von zahlreichen Begegnungen und Besichtigungen von Orten, Einrichtungen und Unternehmen, die für das heutige Emek Hefer und die Entwicklung des Kreises stehen. Emek Hefer befindet sich an der schmalsten Stelle Israels und reicht vom Mittelmeer bis zum Westjordanland. Es ist das Herz und die grüne Lunge Israels. Hier wird z.B. ein Großteil der Gurken für den israelischen Markt angebaut. Und so genoss die Reisegruppe die frischen Produkte aus Emek Hefer auf einem Bauernmarkt, der immer am ersten Freitag im Monat in einer Halle im Industriegebiet stattfindet.
Im Alexanderfluss konnten Schildkröten beobachtet werden, die es nur (noch) hier gibt: große Schildröten mit einem weichen Panzer. Entlang des Fluss schlängelt sich ein Rad- und Fußweg, an dem es auch einen Siegen-Wittgenstein-Abschnitt gibt, mit Möbeln im Stile des Rothaarsteigs.
Spannend war die Besichtigung eines noch jungen Unternehmens, das Biogasanlagen „für Zuhause“ produziert. Mit diesen kann z.B. aus Küchenabfällen Gas produziert werden, das für den Betrieb einer Kochstelle reicht. Kostenpunkt: rund 1.000 Dollar. Inzwischen werden auch Pilotanlagen für größere Anwendungen im Realbetrieb getestet. Obwohl der Hauptmarkt für die Anlagen eher in Ländern liegt, die keine gute Recycling-Struktur haben, sind die Anlagen auch in Deutschland erhältlich.
Beeindruckt waren die Besucherinnen und Besucher aus Siegen-Wittgenstein auch vom Jugenddorf Ne'urim. Das ist im Grunde ein Internat mit unterschiedlichsten Schulformen. Hier fand auch 1966 der erste Besuch einer Jugendgruppe aus Siegen-Wittgenstein in Emek Hefer statt. Das Jugenddorf bietet vielfältige Schwerpunkte über den Unterricht hinaus, wie z.B. Robotik, Surfen oder Filmproduktion. Bis in den Abend hinein stehen den Schülerinnen und Schülern ehrenamtliche Helfer zur Seite, die bei den Hausaufgaben oder der Vorbereitung auf Prüfungen helfen.
Begegnungen und Gedenken
Auch mit dem Holocaust beschäftigte sich die Reisegruppe mehrfach: Etwa bei der Begegnung mit Zvi Cohen, der den Holocaust überlebt hat. 1931 in Berlin geboren, wurde er nach Theresienstadt deportiert. Dort hat er bei der Kinderoper Brundibar mitgewirkt, die aktuell von Jugendlichen aus Siegen-Wittgenstein und Emek Hefer eingeübt wird. Das Besondere: Sie wird nicht nur in Emek Hefer und im August in Siegen-Wittgenstein aufgeführt, sondern auch in Theresienstadt. Zvi Cohen hat mit seinen Eltern den Holocaust überlebt, weil er mit einem Zug in die Schweiz ausreisen durfte – eine einmalige Propagandaaktion der Nazis.
Teil des Reiseprogramms war auch ein Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Hier wird anhand von Einzelschicksalen das Grauen der Judenverfolgung sichtbar gemacht. Direkt neben dem Holocaust-Museum liegt das „Tal der Gemeinden“. Dort legte Landrat Andreas Müller Blumen an der Stelle nieder, an der an die ehemaligen jüdischen Gemeinden in Siegen, Bad Berleburg und Bad Laasphe erinnert wird. Der Landrat rief ins Gedächtnis, dass es lange Jahre in Siegen-Wittgenstein überhaupt keine Juden gegeben hat, weil die Fürsten von Nassau-Siegen eine Niederlassung nicht erlaubten. Erst 1797 zog mit Benjamin Moses und seinen Angehörigen eine erste jüdische Familie in die Region – nach Burgholdinghausen. Mit dem Holocaust endete dann das jüdische Leben in der Region weitestgehend.
Im „Garten der Gerechten“ gedachte die Delegation Walter Krämer, dem „Arzt von Buchenwald“. Obwohl er kein ausgebildeter Mediziner war, behandelte Walter Krämer kranke Mithäftlinge. Dafür würdigte Israel ihn 1999 mit dem Titel „Gerechter unter den Völkern“. In Siegen-Wittgenstein erinnert der Kreis mit einer Stele vor dem Klinikum in Weidenau an ihn. Im Jahre 2017 wurde er im Rahmen des Jubiläums „200 Jahre Kreise Siegen und Wittgenstein“ zum „Größten Siegen-Wittgensteiner“ gewählt – eine Wahl, die ihn durchaus stolz mache, bekannte der Landrat.
Untergebracht war die Reisegruppe in Netanya, einer größeren Stadt am Rande von Emek Hefer. Von dort aus macht die Gruppe auch zahlreiche Ausflüge: etwa in die Hafenstadt Haifa im Norden Israels, die für ihren Bahai-Tempel mit dem Terrassengarten berühmt ist. Dieses Ensemble gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. In Caesarea tauchten die Gäste in die Römerzeit ein und erfuhren, wie Herodes der Große den ersten Tiefseehafen der Geschichte anlegen ließ.
Mit Tel Aviv und Jerusalem standen auch die beiden größten Städte Israels auf dem Reiseprogramm, die für die beiden sehr unterschiedlichen Pole der israelischen Gesellschaft stehen: Tel Aviv – pulsierende Metropole, mit einem modernen, liberalen Großstadtleben; Jerusalem – 3.000 Jahre Menschheitsgeschichte und heilige Stadt für Juden, Christen und Muslime, was den Alltag in der (beinahe) Millionenstadt bis heute prägt. Vom „Tower of David“ aus hatten die Besucherinnen und Besucher aus Siegen-Wittgenstein einen herrlichen Blick über die Altstadt mit dem Tempelberg hinweg bis zum Ölberg und dem Garten Gethsemane. Stationen beim anschließenden Rundgang waren u.a. der Ort des letzten Abendmahls, das Grab von König David, die Klagemauer und die Grabeskirche. Besonders kuriose Geschichte: weil sich die unterschiedlichen christlichen Kirchen nicht einigen konnten, wer den Schlüssel für die Kirche haben soll, wurde der Muslimen anvertraut. Diese schließen bis heute jeden Morgen die Grabeskirche auf und abends wieder zu.
Israelischer Gegenbesuch im August
Nach sieben Tagen in Israel ging es mit unendlich vielen Eindrücken per Flugzeug zurück nachhause. Im August wird dann eine Delegation aus Emek Hefer zu Jubiläumsfeierlichkeiten nach Siegen-Wittgenstein kommen. Leider ist heute schon klar, dass Landrätin Galit Shaul nicht mitkommen darf, was sie sehr bedauert: Aber im Herbst sind in Israel Kommunalwahlen. Deshalb hätte sie eine Erlaubnis für die Dienstreise nach Deutschland benötigt, die sie aber nicht erhalten hat.